Donnerstag, Juni 02, 2016

VOR DER MORGENRÖTE - filmbesprechung



der heute anlaufende film zeigt anhand eindringlicher bilder das exil stefan zweigs von rio de janeiro über new york bis petropolis. die irrungen eines, unter der trennung von seiner sprache leidenden autors. eines mannes, dessen welt- und wortgewandheit, ideale und verzweiflung in 106 minuten derart intensiv deutlich werden, dass es schaudert. in üppigen szenerien zwischen natur und gesellschaftsstudie breitet der film von maria schrader die letzten lebensjahre stefan zweigs vor dem auge des zuschauers auf eine weise aus, die ebenso intim wie unvoyeuristisch ist. am ende wird werden der autor, vater, und literaturstar ebenso greifbar wie der traurige mann, der von seiner lebenskraft, der heimischen kultur und sprache getrennt zugrunde geht. das bemühen zweigs, sich unterdessen politisch von keiner seite funktionalisieren zu lassen, berührt. aussagen wie „jede widerstandsgeste, die kein risiko in sich birgt und keine Wirkung hat, ist nichts als geltungssüchtig.“ oder "ich glaube, dass pässe und grenzen eines tages der vergangenheit angehören werden. ich bezweifle allerdings, dass wir das noch erleben werden." blitzen immer wieder inmitten großartiger dialoge auf und verbinden schmerzhaft vergangenheit mit gegenwart.
der titel eine remiszenz an den abschiedspbrief des protagonisten, schafft zuletzt der epilog des filmes eine ästhetisch inhaltliche auflösung, wie man sie nicht für möglich gehalten hätte.
an der spitze der durchweg famosen besetzung des films brilliert dabei der österreichische kabarettist und schauspieler joseph hader in der rolle stefan zweigs.
insgesamt ein unaufdringlich geistreicher, zutiefst menschlicher und von der magie des geistes und der literatur durchdrungener film, den manch einer, der sich eher von anderen dingen berühren lässt, jedoch gewiss als besseres bildungsfernsehen bezeichnen wird.
ich hingegen habe seit langem wieder einmal das gefühl gehabt, im kino einmal keine zeit verschwendet zu haben.





"Vor der Morgenröte"
Deutschland, Österreich, Frankreich 2016
Regie: Maria Schrader
Drehbuch: Jan Schomburg, Maria Schrader
Darsteller: Josef Hader, Barbara Sukowa, Aenne Schwarz, Matthias Brandt, Charly Hübner, Lenn Kudrjawizki, Vincent Nemeth, Oscar Ortega Sanchez
Produktion: Danny Krausz, Kurt Stocker
Verleih: X-Verleih
Länge: 106 Minuten
FSK: Ab 0 Jahre
Start: 2. Juni 2016


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