Freitag, Januar 18, 2013

AUSGEWICHST

 

AUSGEWICHST

wo Schuhpflege, Pigmente und Neusprech zusammenkommen


Ausgewichst. Das hat zumindest der Thienemann  Verlag beschlossen. Und zwar im Zuge der sprachlichen Bereinigung von Kinderbuchklassikern wie ‚die kleine Hexe’ und ‚Räuber Hotzenplotz’ mit dem Ziel, diese dem schwindenden Wortschatz  der Gegenwart anzupassen.
Während der Terminus ‚wichsen’ früher die höchst löbliche Pflege des Schuhwerks von Hand und die körperliche Zurechtweisung von Kindern bezeichnete, ist der Begriff dieser Tage so nicht mehr gebräuchlich, weshalb der Verlag, dem Verständnis junger Leser zuliebe, beschlossen hat, das fragliche Wort zu tilgen.
Dafür kann man Verständnis aufbringen.
Doch in vorauseilendem Gehorsam gedenkt Thienemann  dem Gesetz der Political Correctness  folgend an der kleinen Hexe noch einiges mehr zu ändern. Kinder, die sich darin bis dato als Neger verkleiden, werden das künftig nicht mehr tun. Auch Türken und Chinesen stehen laut Verlag in diesem Kontext künftig nicht mehr zur Disposition.
Das allerdings ist nicht weiter verwunderlich, sollte doch auch Huckleberry Finn bereits um politisch inkorrekte Terminologie zur Bezeichnung von anders pigmentierten Mitmenschen bereinigt werden. Und auch das wäre gewiss ein löblicher Ansatz, wenn es dabei nicht gerade um ein Buch ginge, das Ende des 19. Jahrhunderts verfasst wurde und unter anderem Sklaverei zum Thema hat.
Aber auch das ist vermutlich nur konsequent, tut man in den Verlagen doch sicher nicht falsch daran,  vom Fehlen mündiger Konsumenten auszugehen. Von Eltern die in der Lage sind, ihren Kindern  Worte zu erklären und Lesern, die wissen und reflektieren können, dass ein Buch immer auch ein Produkt seiner Zeit ist.
Im Dienst der Political Correctness ließe sich aber noch weit mehr tun. Und da es um eine bessere Welt geht, sollte man da keine unnötige Zurückhaltung walten lassen. Problematische Gewaltdarstellungen ließen sich beispielsweise dadurch entschärfen, dass man Blut auch in der Literatur durch Ersatzflüssigkeit ersetzt und Gewalt nach und nach komplett aus allem rausgestrichen wird. Auf längere Sicht würde das zwar einige nicht unwesentliche Änderungen bedeuten, aber das ist eben der Preis. Da darf man nicht zimperlich sein. Auch wenn am Ende Jesus nicht mehr ans Kreuz geschlagen werden darf und dann stattdessen lebenslänglich bekommt. Dann muss man natürlich alle Kruzifixe von den Wänden nehmen und in den Kirchen stattdessen Transparente aufhängen, auf denen FREE JESUS steht.
Damit möchte ich niemandem zu nahetreten, aber doch die Frage stellen, wo man aufhört, wenn man einmal anfängt.
Sprache ist Identität. Policital Correctness ist Neusprech. Und das führt schlussendlich dazu, dass es irgendwann keine Kriegsverbrecher mehr gibt sondern bloß noch ‚Vertreter alternativer Strategien in bewaffneten Konflikten’. Klingt gut. Ist es aber nicht. Und so prosaisch es ist, ich möchte ein Arschloch auch künftig noch Arschloch nennen können.
Die Kenntnis einzelner Worte, das Wissen um ihren Gebrauch und ihre Wahrnehmung machen das Wesen der Sprache aus. Und diese ist unabänderlich mit dem Geist verbunden. Nur was gesprochen werden kann, kann auch gedacht werden.
Und dabei geht es am Ende um mehr als Wichsen, Blut und Neger.
Unter anderem um etwas, das Kurt Tucholsky einmal geschrieben hat.
Einen Satz, der so lange Bestand haben, wie Menschen sich gegen irgendetwas zur Wehr sitzen müssen: „Sprache ist eine Waffe. Haltet sie scharf.“