Samstag, Januar 30, 2010

Für die Statistik

FÜR DIE STATISTIK

oder darf es noch ein bisschen mehr sein?


Jugendgewalt ist heutzutage ja ein Thema. Das erfuhr ich jedenfalls, als ich kürzlich im Berliner Institut für Gewaltprä-, inter- und subvention an einer gesellschatlich relevanten statistischen Erhebung zu diesem Thema mitwirken durfte.

Für meine Teilnahme wurde mir eine Vergütung von 30,00 € in Aussicht gestellt, und man versicherte mir, dass besagter Test in keinem Fall länger als eine halb Stunde dauern würde.

Ich füllte zunächst einen anonymen Fragebogen aus, dann folgte ein kurzes Aufklärungsgespräch über Sinn und Zweck des Testes: Da nämlich Gewalt heutzutage viele Gesichter hätte wäre es schwer, sie zu kategorisieren und wissenschaftlich auszuwerten. Da das jedoch vonnöten wäre, hätte man also diesen Test entworfen, der weltweit von zertifizierten Instituten durchgeführt wurde. Die ersten zehn Minuten meiner halben Stunde verbrachte ich damit, dieser Rede zu lauschen und Formulare auszufüllen.

Blutgruppe, Allergien, ethnische Abstammung. Das Übliche. Darüber hinaus Fragen nach Unfallversicherung, Krankenkasse und Sportverletzungen. Ich habe das Kleindgedruckte überflogen, dann meine Unterschrift druntergesetzt (für Geld muss man immer irgendwo unterschreiben), und zuletzt folgte eine kurze ärztliche Untersuchung, die ebenfalls fünf Minuten in Anspruch nahm, womit die ersten 15 € schon verdient waren.

Der untersuchende Arzt führte mich schließlich in einen weißgekachelten Raum, fixierte mich, verband mir die Augen und ging. Ich fühlte mich nicht wirklich wohl, aber lange konnte der Spaß ja nicht mehr dauern. Schließlich war die Hälfte der Zeit schon vorüber.

Pllötzlich ertönte ein Geräusch ähnlich dem Schließsignal einer U-bahn, und dann begann die schlimmste Viertelstunde meines Lebens:

Der erste Schlag traf mich in der Lendengegend, gefolgt von einem beherzten Schienbeintritt, der in ein mittelschweres Faustschlagstakkato in Magengrubenregion überging. Das Ganze dauerte etwa zwei Minuten. Dann erklang ein zweites Signal und die Schläge verstummten. Ich vernahm ein leises knisterndes Rauschen und aus einem Lautsprecher drang die Stimme des Arztes, der mich bat, meine Eindrücke bezüglich der Qualität gerade der empfundenen Gewalt zu schildern und auf einer Skala zwischen 1 und 10 einordnen. Ich antwortete ihm, er bedankte sich und dann ertönte ein weiteres Signal.

Drei Ohrfeigen in schneller Folge, ein Tritt zwischen die Beine, dazwischen angespuckt, außerdem gebissen und gekratzt. Das nächste Signal. Frage nach meinen Eindrücken, Antwort meinerseits.

In Gedanken stellte ich mir die Frage, was ich eigentlich gerade unterschrieben hatte. Ich kam jedoch nicht dazu, meine Phantasie spielen zu lassen, da schon das nächste Signal ertönte. Dieses mal ging es gleich ins Gesicht. Eine Faust-Nase, Faust-Kinn, Faust-Auge Kombination, drei beeindruckende oberkörperorientierte Kickboxmoves, zwei Knie im Bauch, dann das Signal.

Die übliche Frage, meine wahrheitsgemäße Antwort.

Danach folgte die Baseballschlägerrunde. Gleich darauf noch eine schlägerlose mit mehreren Teilnehmern und zuletzt eine Stockattacke mit weniger harten Schlägen.

Dazwischen wurden immer wieder meine persönlichen Eindrücke abgefragt, und dann war der Test endlich vorüber.

Mit allem drum und dran hatte er exakt eine halbe Stunde gedauert.

Der Arzt nahm mir die Augenbinde ab, ich wurde losgeschnallt und in einem Nebenraum drei Stunden lang medizinisch versorgt. Ich bekam eine provisorische Schiene für mein geprelltes Bein, eine Kompresse für mein geschwollenes Auge und ein paar Heftpflaster für verschiedene Platz- und Schürfwunden.

Am Ende trat der Arzt an mein Bett, um mit mir über die Ergebnisse meines Tests zu sprechen: Innerhalb des Gewaltschlüssel aus randalierenden Grundschülern (3.Klasse), einer ethnisch durchmischten Mädchengang (14-17 Jahre), betrunkenen Ausländern (2,3 Promille), Skinheads (ebenfalls 2,3 Promille), einer Gruppe Hooligans (Lok Leipzig und Bfc Dynamo) und zwei wütenden Rentnern (76 und 83 Jahre), hätte ich erwartungsgemäß Skinheads und Ausländer mit 9 von 10 Punkten auf den ersten Platz gewählt und die aggressiven Rentner mit 2 Punkten am angenehmsten gefunden.

Damit entspräche mein Ergebnis dem üblichen internationalen Standard.

Er bedankte sich, drückte mir einen Umschlag mit 30 € in die Hand und fragte noch, ob ich vielleicht Interesse hätte, an der erweiterten Testvariante mitzuwirken. Springmesser bei den Grundschülern und Gaspistolen bei den Hooligans. Aber dafür gäbe es dann auch 50 €.

Ich lehnte dankend ab.

Wenig später verließ ich humpelnd das Krankenzimmer, und wollte mir, bevor ich ging, noch einen Kaffee gönnen. Die Cafeteria war schnell gefunden. Und dort saß ein halbes Dutzend Grundschüler, die ihre Kinderriegel aßen, sieben halbwüchsige Mädchen, die sich ihre Nägel feilten und zwanzig Hooligans, die selbst am Tisch noch rauften. Außerdem zwei ältere Herrschaften, die ihre Gehstöcke polierten und zuletzt je ein Dutzend Skinheads und Türken, die bemüht waren, ihren Promillepegel zu halten.

Ich unterhielt mich noch ein bisschen und erfuhr ganz nebenbei das einzige, das mich an dieser Sache wirklich sauer machte: Die bekamen für den Tag jeder 150 €!

Kurz darauf ertönte zwei Räume weiter ein Signal, die Grundschüler sprangen auf um ihrer Arbeit nachzugehen und ich humpelte heim, um meine sauer verdienten 30 € zu verprassen ...


Wenn sie also das Bedürfnis haben, sich mal für die Statistik vermöbeln zu lassen, empfehle ich ihnen das deutsche Institut für Gewaltprä-, inter- und subvention. Sollten sie Grundschüler, Rentner, Gangmitglied, Skinhead, Hooligan oder ein gewaltbereiter Ausländer sein, dann könnte sich das sogar lohnen...