Montag, August 05, 2013

SICHERHEIT - Aus der Region, für die Region


HERR MÜLLER VON DER NSA SACHSEN
wie verbraucherfreundliche Überwachung meine Beziehung rettete

Unter Zuhilfenahme einer nicht uneinfühlsamen E-Mail beendete ich kürzlich meine langjährige Beziehung.  Zumindest war das der Plan, der jedoch nicht aufgehen sollte. Das lag allerdings weder an mir noch Susanne, sondern vielmehr an Herrn Müller von der NSA Sachsen. Dieser nämlich schickte mir besagte Mail fünf Minuten nach dem Absenden wieder zurück und teilte mir mit, dass  er beschlossen hätte, meine Mail in seiner Eigenschaft als Assistant Operator für Informationsdelegationsmanagement der NSA Sachsen erst einmal nicht weiterzuleiten. Vor allem, weil er meinen Wunsch die Beziehung zu beenden für unangemessen erachtete: Die Anzahl  der Liebhaber nämlich, die ich Susanne - nachdem ich sie mit  ihrem Yogalehrer in flagranti erwischt hatte - in besagter Mail unterstellte, läge mit mehr als 100% über der aus den Fakten ersichtlichen Zahl. Während ich von fünf Männern ausging, würde es sich ihm zufolge lediglich um zwei handeln. Neben mir und dem Yoga-Lehrer befände sich im Beischlafpool meiner Partnerin lediglich noch ein Schriftsteller mittleren Alters. Herr Müller meinte, mich im Zuge der SMS Auswertungen auch insofern beruhigen zu können, als dass Susanne mit keinem der beiden ernste Absichten verfolge. Zumal die letzte Steuererklärung des Yoga-Lehrers ihn zu keiner allzu guten Partie machte, während der Schriftsteller verheiratet wäre und seine Frau vor drei Tagen die Aktbilder meiner Freundin auf seinem Rechner entdeckt hätte. Bei diesen würde es sich übrigens um eben die handeln, die Susanne auch mir vor zwei Jahren geschickt hätte und die sowohl Herr Müller als auch die Kollegen von der Spätschicht für sehr geschmackvoll erachteten.  Ich könne mir gar nicht vorstellen, was sie sich da alles anschauen mussten.  Wobei natürlich auch die Fotos, die ich heimlich von meiner Nachbarin gemacht hätte, eine Ausnahme bilden würden. Darauf schrieb Müller, dass es sich für mich durchaus lohnen könne, diese Bilder und alles was sonst so anfiel gleich selbst auf den NSA Server hochzuladen.  Zumal es im Zuge einer aktuellen Imagekampagne gerade attraktive Prämien pro Gigabyte gäbe. Die NSA hätte nach dem jüngsten Überwachungsdebakel nämlich beschlossen, künftig etwas verbraucherfreundlicher zu überwachen. Schließlich sei man im Hinblick auf Überwachung ja vor allem in den neuen Bundesländern ein gewisses Maß an persönlicher Betreuung gewohnt. Und da empörte es zurecht, wenn das Ganze zu einer anonymisierten und komplett aus Ausland abgewickelten Datensammlung verkam, für die nicht mal irgend jemand Steuern zahlte. Um also die Wogen der Empörung zu glätten, plane man unter anderem eine nach Terabyte abgerechnete Überwachungssteuer. Und im Zuge des Konzeptes ‚Sicherheit -  Aus der Region für die Region’ die strukturelle Stärkung der Bundesländer durch Gründung örtlicher Zweigstellen und Übernahme von Langzeitarbeitslosen.
Und da wir gerade beim Thema wären, könne er mir hinter vorgehaltener Hand auch  mitteilen, dass  der Bankrott meines Arbeitgebers innerhalb der kommenden drei Monate außer Frage stand. Da aber die Wahrscheinlichkeit einer Neuanstellung aufgrund meines Lebenslaufs eher unwahrscheinlich wäre, könnte ich künftig auch als freier Mitarbeiter der NSA Sachsen nachbarschaftsrelevante Daten einreichen. Davon könnte man jedoch erst ab einer Tagesdatenmenge von zwei Gigabyte leben, für die es wiederum ein wenig Praxis brauchte. Da könnte er mir aber eine Broschüre zuschicken.
Bis ich davon leben konnte, wäre jedenfalls mit einer kleinen Durststrecke zu rechnen, weshalb er persönlich es - da Susanne ja ganz gut verdiene - für klüger hielt, meine Beziehung nicht zu beenden.
Abschließend bot Herr Müller mir für die Zukunft neben einer persönlichen Rechtschreibprüfung meiner Mails auch noch Internet und Telefon aus einer Hand direkt über die NSA und verabschiedete sich dann mit den besten Wünschen.

Naja, was soll ich sagen: seit kurzem habe ich einen unschlagbaren Internettarif, bin Anwärter für eine Stelle als Assistant Operator für Informationsdelegationsmanagement und morgen frage ich Susanne, ob sie mich heiraten will.
                                                                                                                        


Freitag, Januar 18, 2013

AUSGEWICHST

 

AUSGEWICHST

wo Schuhpflege, Pigmente und Neusprech zusammenkommen


Ausgewichst. Das hat zumindest der Thienemann  Verlag beschlossen. Und zwar im Zuge der sprachlichen Bereinigung von Kinderbuchklassikern wie ‚die kleine Hexe’ und ‚Räuber Hotzenplotz’ mit dem Ziel, diese dem schwindenden Wortschatz  der Gegenwart anzupassen.
Während der Terminus ‚wichsen’ früher die höchst löbliche Pflege des Schuhwerks von Hand und die körperliche Zurechtweisung von Kindern bezeichnete, ist der Begriff dieser Tage so nicht mehr gebräuchlich, weshalb der Verlag, dem Verständnis junger Leser zuliebe, beschlossen hat, das fragliche Wort zu tilgen.
Dafür kann man Verständnis aufbringen.
Doch in vorauseilendem Gehorsam gedenkt Thienemann  dem Gesetz der Political Correctness  folgend an der kleinen Hexe noch einiges mehr zu ändern. Kinder, die sich darin bis dato als Neger verkleiden, werden das künftig nicht mehr tun. Auch Türken und Chinesen stehen laut Verlag in diesem Kontext künftig nicht mehr zur Disposition.
Das allerdings ist nicht weiter verwunderlich, sollte doch auch Huckleberry Finn bereits um politisch inkorrekte Terminologie zur Bezeichnung von anders pigmentierten Mitmenschen bereinigt werden. Und auch das wäre gewiss ein löblicher Ansatz, wenn es dabei nicht gerade um ein Buch ginge, das Ende des 19. Jahrhunderts verfasst wurde und unter anderem Sklaverei zum Thema hat.
Aber auch das ist vermutlich nur konsequent, tut man in den Verlagen doch sicher nicht falsch daran,  vom Fehlen mündiger Konsumenten auszugehen. Von Eltern die in der Lage sind, ihren Kindern  Worte zu erklären und Lesern, die wissen und reflektieren können, dass ein Buch immer auch ein Produkt seiner Zeit ist.
Im Dienst der Political Correctness ließe sich aber noch weit mehr tun. Und da es um eine bessere Welt geht, sollte man da keine unnötige Zurückhaltung walten lassen. Problematische Gewaltdarstellungen ließen sich beispielsweise dadurch entschärfen, dass man Blut auch in der Literatur durch Ersatzflüssigkeit ersetzt und Gewalt nach und nach komplett aus allem rausgestrichen wird. Auf längere Sicht würde das zwar einige nicht unwesentliche Änderungen bedeuten, aber das ist eben der Preis. Da darf man nicht zimperlich sein. Auch wenn am Ende Jesus nicht mehr ans Kreuz geschlagen werden darf und dann stattdessen lebenslänglich bekommt. Dann muss man natürlich alle Kruzifixe von den Wänden nehmen und in den Kirchen stattdessen Transparente aufhängen, auf denen FREE JESUS steht.
Damit möchte ich niemandem zu nahetreten, aber doch die Frage stellen, wo man aufhört, wenn man einmal anfängt.
Sprache ist Identität. Policital Correctness ist Neusprech. Und das führt schlussendlich dazu, dass es irgendwann keine Kriegsverbrecher mehr gibt sondern bloß noch ‚Vertreter alternativer Strategien in bewaffneten Konflikten’. Klingt gut. Ist es aber nicht. Und so prosaisch es ist, ich möchte ein Arschloch auch künftig noch Arschloch nennen können.
Die Kenntnis einzelner Worte, das Wissen um ihren Gebrauch und ihre Wahrnehmung machen das Wesen der Sprache aus. Und diese ist unabänderlich mit dem Geist verbunden. Nur was gesprochen werden kann, kann auch gedacht werden.
Und dabei geht es am Ende um mehr als Wichsen, Blut und Neger.
Unter anderem um etwas, das Kurt Tucholsky einmal geschrieben hat.
Einen Satz, der so lange Bestand haben, wie Menschen sich gegen irgendetwas zur Wehr sitzen müssen: „Sprache ist eine Waffe. Haltet sie scharf.“