HERR MÜLLER VON DER NSA SACHSEN
wie verbraucherfreundliche Überwachung meine Beziehung rettete
Unter Zuhilfenahme einer nicht uneinfühlsamen E-Mail
beendete ich kürzlich meine langjährige Beziehung. Zumindest war das der Plan, der jedoch nicht
aufgehen sollte. Das lag allerdings weder an mir noch Susanne, sondern vielmehr
an Herrn Müller von der NSA Sachsen. Dieser nämlich schickte mir besagte Mail
fünf Minuten nach dem Absenden wieder zurück und teilte mir mit, dass er beschlossen hätte, meine Mail in seiner
Eigenschaft als Assistant Operator für Informationsdelegationsmanagement der
NSA Sachsen erst einmal nicht weiterzuleiten. Vor allem, weil er meinen Wunsch
die Beziehung zu beenden für unangemessen erachtete: Die Anzahl der Liebhaber nämlich, die ich Susanne -
nachdem ich sie mit ihrem Yogalehrer in
flagranti erwischt hatte - in besagter Mail unterstellte, läge mit mehr als
100% über der aus den Fakten ersichtlichen Zahl. Während ich von fünf Männern
ausging, würde es sich ihm zufolge lediglich um zwei handeln. Neben mir und dem
Yoga-Lehrer befände sich im Beischlafpool meiner Partnerin lediglich noch ein
Schriftsteller mittleren Alters. Herr Müller meinte, mich im Zuge der SMS
Auswertungen auch insofern beruhigen zu können, als dass Susanne mit keinem der
beiden ernste Absichten verfolge. Zumal die letzte Steuererklärung des
Yoga-Lehrers ihn zu keiner allzu guten Partie machte, während der
Schriftsteller verheiratet wäre und seine Frau vor drei Tagen die Aktbilder
meiner Freundin auf seinem Rechner entdeckt hätte. Bei diesen würde es sich
übrigens um eben die handeln, die Susanne auch mir vor zwei Jahren geschickt
hätte und die sowohl Herr Müller als auch die Kollegen von der Spätschicht für
sehr geschmackvoll erachteten. Ich könne
mir gar nicht vorstellen, was sie sich da alles anschauen mussten. Wobei natürlich auch die Fotos, die ich
heimlich von meiner Nachbarin gemacht hätte, eine Ausnahme bilden würden. Darauf
schrieb Müller, dass es sich für mich durchaus lohnen könne, diese Bilder und
alles was sonst so anfiel gleich selbst auf den NSA Server hochzuladen. Zumal es im Zuge einer aktuellen
Imagekampagne gerade attraktive Prämien pro Gigabyte gäbe. Die NSA hätte nach dem
jüngsten Überwachungsdebakel nämlich beschlossen, künftig etwas verbraucherfreundlicher
zu überwachen. Schließlich sei man im Hinblick auf Überwachung ja vor allem in den
neuen Bundesländern ein gewisses Maß an persönlicher Betreuung gewohnt. Und da
empörte es zurecht, wenn das Ganze zu einer anonymisierten und komplett aus
Ausland abgewickelten Datensammlung verkam, für die nicht mal irgend jemand Steuern
zahlte. Um also die Wogen der Empörung zu glätten, plane man unter anderem eine
nach Terabyte abgerechnete Überwachungssteuer. Und im Zuge des Konzeptes ‚Sicherheit - Aus der Region für die Region’ die
strukturelle Stärkung der Bundesländer durch Gründung örtlicher Zweigstellen und
Übernahme von Langzeitarbeitslosen.
Und da wir gerade beim Thema wären, könne er mir hinter
vorgehaltener Hand auch mitteilen, dass der Bankrott meines Arbeitgebers innerhalb der
kommenden drei Monate außer Frage stand. Da aber die Wahrscheinlichkeit einer
Neuanstellung aufgrund meines Lebenslaufs eher unwahrscheinlich wäre, könnte
ich künftig auch als freier Mitarbeiter der NSA Sachsen nachbarschaftsrelevante
Daten einreichen. Davon könnte man jedoch erst ab einer Tagesdatenmenge von
zwei Gigabyte leben, für die es wiederum ein wenig Praxis brauchte. Da könnte
er mir aber eine Broschüre zuschicken.
Bis ich davon leben konnte, wäre jedenfalls mit einer
kleinen Durststrecke zu rechnen, weshalb er persönlich es - da Susanne ja ganz
gut verdiene - für klüger hielt, meine Beziehung nicht zu beenden.
Abschließend bot Herr Müller mir für die Zukunft neben einer
persönlichen Rechtschreibprüfung meiner Mails auch noch Internet und Telefon
aus einer Hand direkt über die NSA und verabschiedete sich dann mit den besten
Wünschen.
Naja, was soll ich sagen: seit
kurzem habe ich einen unschlagbaren Internettarif, bin Anwärter für eine Stelle
als Assistant Operator für Informationsdelegationsmanagement und morgen frage
ich Susanne, ob sie mich heiraten will.
1 Kommentar:
schon 17 seitenaufrufe aus den USA. da wird womöglich jemand inspiriert...
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