Donnerstag, April 26, 2007

OPERATION PREIS

oder

das Arcor-Komödienstadl zu Gast in Berlin

Vor nunmehr einem knappen halben Jahr beschloss ich, mein kläglich analoges Online-Dasein zu ändern. Unbedarft wie ich war, ließ ich mich für dieses Vorhaben vom Fernsehen inspirieren.

Doch weder Freenet-Hühner noch Lycos-Dalmatiner vermochten mich zu überzeugen. Schließlich wollte ich eine DSL Flatrate und nicht in den Zoo. Und so war es schließlich die Firma Arcor, die den Zuschlag bekam. Ihre Kampagne trägt den wohlklingenden Namen OPERATION PREIS und ihr zentraler Aspekt ist ein vertrauenswürdiger Chirurg, der auf Plakaten und in Fernsehspots die Preisschere ansetzt, um dem Zuschauer die radikal kundenfreundliche Preispolitik vor Augen zu führen, welche die Firma vermeintlich praktiziert. Aber Pusteblume. Doch dazu später mehr. Die Rolle dieses chrirurgischen Hochstaplers ist nicht zufällig gewählt. Der Konsument wird mit einem vermeintlich studierten Mediziner konfrontiert, der sein Leben durch einen lang geübten Schnitt schöner machen kann. Tückisch. Und auch ich war bereit, mir meine Mandeln, meinen Blinddarm und was immer nötig war von ihm entfernen zu lassen...

Mein Weg führte mich also direkt zu einer Arcor Wegelagererstation, die eine emsige Schwesternhelferin in einer Saturn Hansa Filiale aufgeschlagen hatte. Wäre ich kritisch und nicht von Dr. Brinkmann geblendet gewesen, mir wäre die allzu deutliche Parallele zu mittelalterlichen Scharlatanen aufgefallen, die, aus Angst, man könnte ihnen ihr vermeintliches Wundertonikum samt Flasche rektal zurückerstatten, keinen Ort zwei Mal bereisen. Ich aber schwebte auf einer Wolke multimedial erzeugten Vertrauens zum Pult der blauroten Schwesternhelferin, um mein Kreuz bei Arcors vielgepriesenem „Rundum-Sorglos Paket“ zu machen. Rundum Sorglos scheint jedoch dort wo ich herkomme etwas anderes zu bedeuten als bei Arcor.

Doch als ich den digitalen Wundertinkturstand verließ, war ich noch immer überzeugt, das richtige getan zu haben. Und als ich heimfuhr, meinte ich meinen Teil der Arbeit getan. Die vier bis sechs Wochen Wartezeit, welche die Firma sich eingeräumt hatte, schienen mir ein kaum ernstzunehmendes Ärgernis. Aber auch unter vier bis sechs Wochen versteht man bei Arcor etwas anderes als im Rest der Welt.

Ich gehe inzwischen davon aus, dass man sich einfach verschrieben hat. Inzwischen ist nämlich ein halbes Jahr vergangen. ‚Vier mal sechs Wochen’ statt ‚vier bis sechs Wochen’. Diese Zeit aber verging nicht, ohne dass die Firma Arcor mich regelmäßig ihrer aufrichtigen Freundschaft versichert hätte. Jeden Monat bekomme ich einen kumpeligen Brief, dessen Text sich auf zweierlei reduzieren lässt:

1.) Ach Du, wir haben technische Probleme. Das tut uns furchtbar leid, aber wir melden uns, wenn sich was ändert. Und

2.) Hey, natürlich sind wir bereit, Dich für deine entstandenen Mehrkosten zu entschädigen. Allerdings nur solange uns das nichts kostet.

Diese köstlichen Spaßmacher - denn um diese handelt es sich ganz augenscheinlich - bieten mir ernsthaft an, dreißig Euro meiner ersten Arcor Rechnung zu übernehmen. Auf keinen Fall aber mehr. Eine Großzügigkeit die mich beinahe beschämt, zumal ich durch geschickte Investition dieser 30 Euro sicher innerhalb einiger Jahre die wenigen hundert Euro wieder reinbekommen könnte, welche die Verzögerung des in Aussicht gestellten Tarifs mich bis heute gekostet hat.

Man sollte übrigens nicht denken, dass sich auf den Inkompetenzerklärungen der Firma eine Kontaktnummer befände. Allenfalls eine kostenpflichtige Hotline. Ja, „Service“ und „Dienstleistung“ werden bei Arcor großgeschrieben und dann entschieden durchgestrichen.

Aber wenn man sonst keine Freunde hat, dann freut man sich zumindest über die regelmäßige Post. Und ich kann mir ernsthaft vorstellen, dass die allmonatliche Arcor-Vertröstungsdepesche ein einsames hochsuizidales Individuum über drei Jahre hinweg trösten und vom letzten Schritt abhalten kann. Doch ob ich auch diese sozialpsychologische Komponente durchaus schätze, muss ich mich davon doch ausnehmen. Ich nämlich bin lediglich einer von der Sorte, der das haben will, was er bestellt hat - was da wo ich herkomme übrigens vollkommen üblich ist.

Bei Arcor anscheinend nicht.

Augenscheinlich lässt sich eine DSL Flatrate eher beim Hütchenspielen gewinnen, als bei Arcor in Auftrag geben.

Wenn aber jemand etwas verkauft, was er gar nicht hat, ist das letztendlich nichts anderes als Betrug. Aber vielleicht meint Arcor das alles gar nicht böse.

Womöglich stammt die Firma bloß aus irgendeinem zurückgebliebenen Hinterlandstaat, wo man sich für das Erfüllen von Verträgen vier Jahre Zeit lässt und statt mit Geld auch mit Kartoffeln bezahlen kann.

Mein persönliches Dilemma schmälert das allerdings nicht.

Und wenn ich dem Bild mit dem Chirurgen treu bleibe, dann liege ich inzwischen im übertragenen Sinn seit vier Monaten mit einem Blinddarmdurchbruch auf dem Arcor OP-Tisch und warte, wodurch die OPERATION PREIS ein ganz neues Gesicht bekommt, lohnt eine Operation doch in der Regel bloß, solange der Patient noch lebt.

Aber auch das ist dort wo diese Leute herkommen vielleicht anders…

Ich will jedoch nicht weiter fremde Gepflogenheiten verhöhnen, möchte jedoch für den unbedarften deutschstämmigen Konsumenten ein paar kleine Orientierungshilfen im Umgang mit der Firma Arcor aufzeigen:

- „Rundum Sorglos“ bedeutet bei Arcor „ein halbes Jahr Ärger“

- „vier bis sechs Wochen“ meint dort „vier mal sechs Wochen“

- wenn sie wollen, können sie bei Arcor auch mit Kartoffeln bezahlen

- wenn sie wirklich keine DSL Flatrate haben möchten, sollten sie am besten zu Arcor gehen.

Die können das und sind quasi die besten.

Diese wenigen Punkte dürften einige Missverständnisse vermeiden helfen.

Erstaunlicherweise hat die Kartoffelfirma es geschafft, als Trikot-Sponsor von Hertha BSC Berlin zu agieren. Ich weiss jedenfalls woran es liegt, wenn der Verein ein halbes Jahr lang kein Tor schießt…

Zum Abschluss bitte ich den geneigten Leser, sich vor Augen zu führen, wie viele zigtausend Leute der blau-rote Verein auf diese Weise seit wie vielen Monaten schon verarscht. Kaum nämlich dass dies getan ist, dann ist man geneigt dem prägnanten Schlusssatz des Arcorwerbespots beizupflichten:

Chef, so leicht macht Ihnen das keiner nach…

1 Kommentar:

Norman Liebold hat gesagt…

In der Tat, der Herr mit der Blume, in der Tat. Seh r schön sind auch völlig inkompaktibele ominös-magische Plastikschachteln unbekannten, aber gewiß hochspezialisierten und sehr, sehr teueren Inhalts, die Zugänge gewähren sollen, aber offenbar erst funktionieren, wenn sie eine gewisse Kilometerzahl durch Hin- und Hersenden absolviert haben. Ihre Geduld erstaunt mich allerdings höchlich, ich drohte nach 7 Wochen mit Klage, wurde ausfallend, zertrümmerte im Arcor-Stadl sehr demonstrativ erwähnt-ominöse Magieschachtel mit den hübschen Star-Trek-Lämpchen und bin seitdem bei Vodafone glücklich übe rSattelit und deutschlandweit Flachratten-befriedigt.

Apropo: Wie war das denn nun eigentlich der Herr, mit Telephon-Besprechlichkeit? Gibt es da innere Zusammenhänglichkeiten zu Eurer Kommunikationskastration durch den Arcor-Preisscheren-Scharlatan? Meine Wenigkeit weilet gerade zu Leipzig.

Beste Grüßlichkeiten nochmaligst, oh blumiger Gargamel, der Schlumpf Liebold