Mittwoch, April 23, 2008

generelle Gedanken zur gegenwärtigen Gewaltkultur

DAS GROßE YOUTUBE-GRUNDSCHULKICKBOXEN

Aus Funk und Fernsehen weiß ich, dass Anwendungsgebiete und Darreichungsform jugendlicher Gewalt sich immer weiter entwickeln. Allein in der Bildzeitung werfen junge Menschen sich ständig gegenseitig vom Balkon, weil sie einfach nichts besseres zu tun zu haben scheinen.

Mir ist das ein wenig fremd. Wahrscheinlich weil ich nie das Bedürfnis hatte, James Finchers „Fight Club" (nach der Romanvorlage von Chuck Palaniuk) nachzuspielen. Heute machen die jungen Leute sowas ja ständig, und die Schulhöfe heute müssen, wenn wir alles glauben, was man schreibt, altrömischen Gladiatorenschulen ähneln. Der Gewaltmechanismus dort scheint universal. Da werden Moves von X-Box oder Playstation auf Realitätsnähe überprüft, Besitzverhältnisse von Markenkleidung neu definiert oder erste Mannbarkeitslorbeeren erprügelt. Und das trotz Boot-Camps, Arbeitslager und Supernanny. Inzwischen müssen die jungen Leute bereits die Schule schwänzen, damit sie in der Zeit Kickboxstunden nehmen und sich im Ernstfall verteidigen können.

So lange desorientierte junge Menschen sich jedoch lediglich gegenseitig verprügelten, war das in Ordnung. Inzwischen zieht Jugendgewalt allerdings Kreise und neben dem großen Prozentsatz deutscher Schüler, der sich zu Unterhaltungszwecken auf Youtube verprügeln lassen muss, erwischt es jetzt mitunter auch unbescholtene Bürger.

Und das lässt sich freilich in Schlagzeilen feiern. Ohne brutalmarodierende Grundschüler, Ubahnchaoten, Steineschmeißer und Maulhaukasper wäre unsere ausrufungszeichenorientierte Schlagzeilengesellschaft gar nicht mehr denkbar. Ständig muss gewarnt und gemahnt werden. Angst macht Auflage, und irgendwie scheint es, als bräuchte die Gesellschaft regelmäßig die Fresse poliert, um sich darüber aufregen zu können. Gewalt wird eben überall da ausgeübt, wo man sie als lohnend empfindet, und eine Bombe die explodiert ist eben spannender als eine, die entschärft wird.

Der leicht zugänglichen Presse zufolge müssen jedenfalls etwa 90% der Jugendlichen blutdürstige Pschopathen sein. Beliebt sind in diesem Zusammenhang, bei denen man sich, basierend auf der aktuellen Gewaltschlagzeile versiert dazu äußern darf, ob es nun schlimmer ist von Skinheads, Ausländern oder Autonomen verprügelt zu werden.

Für mich persönlich kann ich feststellen, dass Gewalt mir grundsätzlich unangenehm ist. Egal von wem sie ausgeübt wird. Desweiteren muss ich zugeben, dass es mir in der Regel mehr liegt, wenn jemand verprügelt wird, der nicht ich ist. In meinem Leben habe ich darum bisher auch eher nur in homöopathischen Dosen aufs Maul bekommen: In jungen Jahren springerstiefelte ein Skinhead mich unter dem Jubel sparsam frisierter Kollegen und einem fadenscheinigen Vorwand den Kopf, und vor knapp einem Jahr durfte ich fünf sturzbetrunken jungen Südländern beim Frustrationsabbau behilflich zu sein und ihnen, nach dem man sie nicht in einen Club gelassen hatte, ein Gesicht für einen beherzten Faustschlag zur Verfügung stellen,. Falls mir jetzt noch der Sinn nach etwas autonomer Gewalt steht, muss ich mir nur ein Thor Steinar Leibchen überziehen und im falschen Teil der Stadt spazieren gehen.
Doch obwohl ich ein Streetfightjungfrau bin, habe ich durchaus eine Meinung zum Thema Gewalt, die am ehesten einem Ausspruch Isaac Asimovs entspricht: „Gewalt ist die letzte Zuflucht des Unfähigen".
Fähigkeit ist allerdings lernbar.
Insofern man Vorbilder hat.
Und zwar solche, die nicht auf You-Tube Kickboxen...

© christian von aster

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